Die Suwałky-Seenplatte mit dem Wigry-Nationalpark
"Wenn der Liebe Gott, wie die Sage erzählt, seine letzten Perlen nach Masuren verstreute, sind ganz gewiss vielen von ihnen in die Suwalszczyzna, die Region um die Städte Augustów und Suwałki, gekullert. Herrlich liegt das Land im äußersten nordöstlichen Winkel Polens unter einem klaren, tiefblauen Himmel. Kleine Holzhäuschen in leuchtendem Gelb, Rot und dem typischen baltischen Blau, wie man sie im benachbarten Litauen findet, prägen das Bild, und abermals öffnet sich vor den staunenden Augen ein fantastisches Mosaik aus Wasser und Land." (Kristine Jaath)
Unsere Reise führt uns nun an den nordöstlichen Rand Polens, bis an die Grenze Litauens und Weißrusslands. Wir besuchen die Suwałky-Seenplatte und den Wigry-Nationalpark. Streng genommen gehört dieses Gebiet nicht mehr zu Ermland und Masuren, sondern zur Wojwodschaft Podlachien. Dennoch haben wir es in unsere Rundreise eingeschlossen, da es sich wundervoll in die bisherige Landschaftsarchitektur einpasst.
Zunächst fuhren wir nach Gawrych Ruda. Dort gingen wir die blaue Route, die uns zunächst über einen schmalen Pfad direkt am Seeufer entlang durch ein Waldstück führte. Dies war ein durchaus sehr schöner Abschnitt, allerdings ging es danach auf Asphaltwegen weiter. Wir hatten immer wieder Ausblicke auf Moore und dem Wigry-See, allerdings – so wussten wir später – war die zweite Route weiter nördlich wesentlich schöner. Nichtsdestotrotz schlossen wir hier an die blaue Route noch die in der Wanderkarte gelbe Route an. Die zweite Wanderung innerhalb des Wigry-Nationalparks führte uns an die kleinen Waldseen Suchar I bis IV und anschließend an einem wunderschönen Badestrand am See Czarne. Sie startete in Krzywe und ging zunächst auf schmalen Holzbohlenwegen über ein mooriges Waldstück. Anschließend passierte man immer wieder verschiedene kleine Waldseen, die wildromantische Ausblicke versprachen. Der Weg war dabei ein gut begehbarer, aber schmaler Waldpfad – kein Vergleich zur ersten Wanderung. Bei genügend Zeitreserven, sind beide Wanderungen durchaus empfehlenswert, hat man aber wenig Zeit, dann empfiehlt es sich nur diese zweite Route zu gehen. Die Distanzen sind dabei wirklich überschaubar und die "Wanderungen" sind schnell zu bewältigen. Der Wigry-Nationalpark zeichnet sich, und das zeigen auch entsprechend die Wanderungen, durch seine Torfmoore, seine funkelnden 40 Seen und seine bis zu 200 Jahre alten Kiefern- und Fichtenbeständen unter dem klaren baltischen Himmel aus. Über die Hälfte sämtlicher in Polen geschützter Pflanzen gibt sich im 15.000 Hektar großen Nationalpark mit dem Biber im Wappen ein Stelldichein. Besagten Biber konnten wir leider nicht auf unserer Wanderung begegnen, dafür aber zahlreiche Amphibien, die am Uferrand verweilten und fluchtartig ins Wasser sprangen, als wir sie passierten. Etwas ein Fünftel der Fläche des Nationalparks ist mit Gewässern bedeckt. Im Herzen des Nationalparks liegt der namensgebende Wigry-See, der auf der UNESCO-Liste zum Schutz der Wasserökosysteme AQUA steht. Neben den Bibern und Amphibien leben in den breiten Schilfgürteln Haubentaucher, Höckerschwäne und Kormorane. Man kann auch Seeadler und Schreiadler am Himmel entdecken, wenn man es schafft den Blick vom See zu erheben. Die Seen des Wigry-Nationalparks sind fischreich, denn bis zu 20 Fischarten tummeln sich in diesen und den angrenzenden bzw. mit ihnen verbundenen Flüssen.
Es gibt ein Nationalparkmuseum, welches über den Wigry-Nationalpark informiert, in Stary Folwark. Wir haben uns in Krzywe informieren können. Unbedingt besuchen sollte man aber – neben der Natur – das Kamaldulenserkloster, welches zu Barockzeiten zwischen 1694 und 1745 erbaut wurde. Es liegt wunderschön auf einer Halbinsel, umgeben also von Wasser, im Wigry-See und wird heute als Hotel genutzt. Hätten wir keinen Camper, würden wir hier sicherlich nächtigen. Auch, wenn wir die Preise nicht kennen, hat man wohl sehr selten eine solche Gelegenheit, derart exklusiv nächtigen zu dürfen. Ansonsten ist die dazugehörige Kirche in leichtem rosé sehr schön anzusehen und definitiv einen Besuch wert. Diese Sehenswürdigkeit sollte man in dieser Region auf keinen Fall auslassen.
Mit dem Bau des Klosters gründeten besagte Mönche auch am Fluss Czarna Hańcza ein kleines Dorf, das 1690 aus ganzen zwei Bauernhäusern bestand, jedoch schnell wuchs und 1720 bereits die Stadtrechte erhielt. Heute hat Suwałki eine stattliche Größe von aktuell 69.000 Einwohnern erreicht. Besonders schön, lohnenswert und eigentlich auch ein Muss zu besichtigen, ist das Stadtzentrum Suwałkis. Der weiträumige Plac Piłsudskiego, in dessen Mitte sich ein schöner Park mit Springbrunnen (leider mit deutlich wahrnehmbarem chlorhaltigem Wasser) befindet, ist umringt von hübschen spätklassizistischen Bürgerhäusern, unter denen v.a. die strahlend weiße, mit einem prächtigen Portal versehene Kirche St. Alexander auffällt. Eine ebenfalls noch sehr hübsche Straße mit zahlreichen Cafés ist die direkt vom Platz abgehende Chłodna. Hier fallen die im Boden eingelassenen jährlich stattfindenden Blues-Festival-Erinnerungstafeln auf. Die Künstler, die dabeistehen, verraten, dass es sich hierbei um ein internationales Fest mit herausragenden Blues-Sängern und -Bands handelt. Es findet an drei Tagen im Juli in Restaurants, Pubs, Clubs und in der Stadthalle statt.
Der Suwałky-Landschaftspark im Norden gleichnamiger Kreisstadt lohnt ebenfalls für einen Abstecher. Hier gibt es unterschiedliche Wandermöglichkeiten. Wenn man mit einem Kompass unterwegs ist, muss man bei Smolniki aufpassen, denn das stark eisenhaltige Gestein kann dafür sorgen, dass der Kompass seine Orientierung verliert. Wir nutzten hier nicht die Gelegenheit, in diesem durch zahlreiche Findlinge aus der letzten Eiszeit ausgestattetem wildromantischen Landschaftspark zu wandern, auch wenn verschiedene Wanderwege von unterschiedlichster Länge dazu verführten. Wir badeten stattdessen am Hańcza-See, dem tiefsten See Polens, der ironischerweise an unserer ausgesuchten Badestelle ausgerechnet meterweit extrem flach war. Leider kam ein kurzer, aber durchaus starker Sommerregen auf, der uns in unseren trockenen Camper flüchten ließ und dem Badeabend ein jähes Ende bereitete. So beschlossen wir diesen an sich schönen Tag.