Das Tor zu Ostpreußen

30.07.2023
"Die Schuhe tragen dich durch die Welt, ohne zu wissen, was die Welt mit dir anstellt. Sie bleiben immer am Boden und du willst nach oben. Bleib bei den Schuhen." (Christian Lenz)

Unsere Reise in den ehemaligen südlichen Teil Ostpreußens, welcher nun die Woiwodschaft Warmie i Mazury Polens bildet, beginnt dort, wo man auch glaubt, wo Masuren anfangen könnte. Da das "Land ohne Eile", wie man es früher nannte, niemals richtige politische Grenzen hatte, einigte man sich irgendwann auf die Kernsdorfer Höhe bzw. die heutige Dylewska Góra im Süden Ostródas (Osterodes). Die Wahl fiel wahrscheinlich auch hierauf, weil es der höchste Berg bzw. Gipfel ganz Ostpreußens war (312 m. ü. NN.). Da auf seinem Gipfel ein Aussichtsturm steht, der uns einen schönen Rundumblick in das Land geben sollte, welches wir in den kommenden Tagen erkunden wollten, bot es sich an, hierhin eine Wanderung zu unternehmen. Wir durchstreiften damit einen Landschaftspark, der seit 1994 unter Naturschutz steht. Der 37 m hohe Aussichtsturm bietet tatsächlich einen schönen Weitblick in das Land der dunklen Wälder und kristall'nen Seen. Hier fällt schon das auf, was uns vielerorts immer wieder bewusst wird: Die hügelige Landschaft ist strukturiert durch viele Weiden, mit hohem Gras bewachsene Wiesen, die durchtrennt werden mit kleinen Baumgruppen oder dichten Wäldern und immer wieder viele Teiche und Seen aufweisen. Vereinzelt findet man auch Getreideflächen, die sich aber ungemein harmonisch in die Landschaft einfügen und somit ein rundes Gesamtbild einer wundervollen Landschaft bilden.

Weiter ging es nach Grunwald (Grünfelde). Es ist ein winziges Dörfchen. Vermeintlich historisch bedeutsamer sind aber die Ländereien um Grunwald herum, denn hier fand die denkwürdige Schlacht von Grunwald statt, in der am 15. Juli 1410 das vereinigte polnisch-litauische Heer unter König Władisław II. Jagiełło den Deutschen Orden besiegte. Sie gilt als größte Schlacht des Mittelalters auf europäischem Boden und beendete die Herrschaft des Deutschen Ordens, der früher mal vom polnischen Herrscher zur Hilfe geholt wurde, um die Pruzzen, die "Ureinwohner" Ostpreußens, sowie die Litauen in Schach zu halten. Deutsche Legenden, Sagen und Mythen besingen diese Schlacht nicht, sondern lenken ab auf ein anderes Ereignis: Die Schlacht von Tannenberg, das heutzutage Stębark heißt. Es geht hierbei um die Kriegshandlung 1914, mit der Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg die russische Armee aus Ostpreußen verjagte. Tatsächlich kämpfte Hindenburg gegen Samsanow nicht bei Tannenberg, sondern in dem Gebiet, das die Orte Olsztynek (Hohenstein), Nidzica (Neidenburg) und Pasym (Passenheim) als Eckpunkte eines Dreiecks beschreiben. Man nannte sie Schlacht bei Tannenberg, um aus Propagandagründen die als Schmach empfundene Niederlage des Deutschen Ordens im Geschichtsbewusstsein zu überschreiben und somit aus der Sicht der Ewiggestrigen dem Ort doch noch eine positive historische Konnotation zu verleihen. Tatsächlich sorgte die Schlacht auch nicht für die "endgültige Niederlage" des russischen Heeres. Dies erfolgte erst 1915. Aber was soll's. Ein Volk braucht Mythen und Legenden und v.a. Helden. Daher errichtete man für Hindenburg in der Nähe von Hohenstein ein monumentales Tannenberg-Denkmal, welches den 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit aber nicht überdauerte. Warum erzähle ich das alles? Erstens weil es für mich als Historiker äußerst interessant ist und zweitens, weil man von Interessanteren ansonsten nicht berichten könnte. Es gibt zwar ein Museums-Freilichtgelände, allerdings gibt es hier nicht viel zu sehen. Am sinnvollsten wäre es wohl noch gewesen, wenn man am Wochenende um den 15. Juli vor Ort gewesen wäre, denn zu dieser Zeit finden die "Tage von Grunwald" statt. Es ist ein großes Spektakel mit Ritterlagen und -turnieren sowie einer Inszenierung der Schlacht von 1410.

Weitaus interessanter und tiefergehende Einblicke bietet da das Masurische Freilichtmuseum in Olsztynek (Hohenstein). Auf dem fast 100 Hektar großen Gelände ist ein Dorf nachempfunden mit originalen alten masurischen Bauernhäusern, weichselländischen Windmühlen und altostpreußische Gotteshäuser und Gehöfte. Die Häuser sind originalgetreue Rekonstruktionen oder sogar komplett original in das sanfte Hügelland wieder aufgebaut worden. Insbesondere die masurischen Bauernhütten aus der Zeit des 18. Und Anfang 20. Jahrhunderts, die allesamt begeh- und erkundbar sind, sind hochinteressant. Auch die Holzkirche war faszinierend. Alle Gebäude stammen aus der genannten Zeitspanne und aus den Regionen Samland, Weichselland, Ermland und Masuren. Entsprechende Informationstafeln geben Ausschluss über Entstehungszeit und Herkunftsort. Wir fanden dieses Museum definitiv einen Besuch wert.

Abends fuhren wir dann nach Ostróda (Osterode). Die viertgrößte Stadt der Woiwodschaft Ermland-Masuren wird umgeben von zwölf Seen, wovon allein fünf von ihnen im Stadtgebiet liegen. Sie ist damit Wassersportverkehrsknotenpunkt verbindet Oberland und Masuren nach Norden mit dem Frischen Haff und westlich mit der Iława-Seenplatte. Wir schlenderten den Seesteg und die Uferpromenade Ostródas entlang. Sie liegt am Drwęckie-See im Herzen Ostródas und lädt ungemein zum Verweilen und Bummeln ein. Stand an Stand reihen sich hier und vornehmlich Eis lässt sich dadurch wunderbar genießen. Architekturhistorisch bietet Ostróda allerdings wenig. Lediglich die Mitte des 14. Jahrhunderts errichtete, nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ab 1974 rekonstruierte Deutschordensburg ist eine kurze Besichtigung wert, wenngleich ihr Ausmaß nicht wirklich auf Fotos einfangbar ist.


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