Ermland & Masuren
"Wenn ich an die Wälder und Seen Ostpreußens denke, an die weiten Wiesen und alten Alleen, dann bin ich sicher, daß sie noch genauso schön sind wie damals als sie mir Heimat waren. Vielleicht ist dies der höchste Grad der Liebe: zu lieben, ohne zu besitzen." (Marion Dönhoff)
Ermland und Masuren – die nordöstliche Woiwodschaft Polens – ist oft ein vergessenes Reiseziel und kann noch als Geheimtipp behandelt werden. Als wir zwei Wochen hier und im Norden Podlachiens unterwegs waren, begegneten wir kaum bis gar nicht europäischen bzw. deutschen Urlauber*innen. Lediglich an den absoluten Hotspots – dem ehemaligen Führerhauptquartier Wolfsschanze und der Königin der Ostsee Danzig – konnten wir Deutsche ausmachen. Auch in der ehemalig bedeutsamen Hansestadt Elblag (Elbing) standen vereinzelt deutschen Wohnmobile. An sämtlichen anderen Orten urlauben vorrangig die Einheimischen. Unser Reisegebiet umfasst das ehemalige südliche Ostpreußen, eben der Teil, der heute polnisch ist. In den russischen Teil konnten wir aufgrund eines fehlenden Visums und einer entsprechenden Einreisegenehmigung nicht reisen. Zusätzlich gehört zu unserem Reisegebiet noch die ehemalige freie Stadt Danzig dazu. Es erwarteten uns wunderschöne Landschaft, ganz dem Slogan "Land der dunklen Wälder und kristall'nen Seen". Aber neben Natur hat diese Region auch viel Kultur zu bieten: Der Deutsche Orden, der im Mittelalter Herr über dieses Gebiet war, hinterließ unverkennbare Backsteinspuren. Überall finden sich Gotteshäuser, Klöster und Ordensburgen. Diese waren zwar oftmals stark zerstört nach dem 2. Weltkrieg, allerdings in liebevoller Weise von den Polen wieder aufgebaut und rekonstruiert worden. Gleiches gilt für die Städte wie beispielsweise Danzig, Allenstein und Elbing. Der 2. Weltkrieg sorgte überall für unfassbare Zerstörung. Auch heute kann man noch vereinzelt verlassene Güter und Häuser sehen. Dennoch haben wir größten Respekt vor den Bemühungen der polnischen Bevölkerung, die alten Gemäuer wieder entsprechend herzurichten. Apropos 2. Weltkrieg. Das Nazi-Regime hinterließ auch hier Spuren, die nicht mal die Nazis selbst zerstört bekamen. So kann man neben der Bunkeranlage Mauerwald, die der deutschen Wehrmacht als "Kommandozentrale" für die Ostfront diente, v.a. auch das Führerhauptquartier im Osten, die "Wolfsschanze" besichtigen, von denen immer noch beeindruckende Bunker zu besichtigen sind. Zudem gehört auch die KZ-Gedenkstätte Stutthof zu den grausamsten Zeiten in Ermland und Masuren.
Das Landschaftsbild zeichnet sich – wenig überraschend – durch die hohe Anzahl an Seen zwischen hügeligen Wiesen und dichten Wäldern aus. Im Osten und um die großen masurischen Seen sind einzelne Getreidefelder in die Landschaft hineinkomponiert. Im Westen Richtung Küste wird deutlich, wieso das damalige Ostpreußen als die Kornkammer des Deutschen Kaiserreichs beschrieben wurde, denn hier sind diese großflächig angelegt. Allerdings fällt es oftmals nicht auf, denn der Blick von der Straße aus wird überall in Ermland und Masuren eingefangen durch die alten Bäume, die die Straßenränder beidseitig säumen. So sind eigentlich sämtliche Landstraßen als Alleen angelegt. Die Ostseeküste zeichnet sich einerseits durch breite Sandstrände und andererseits durch langgezogene Schilfrändern aus.
Die Tierwelt ist umfangreich. Von freilebenden Wisenten, die aufgrund ihrer geringen weltweiten Anzahl, schon eine Besonderheit sind und die man im Regelfall nicht oder nur eingeschränkt (nämlich in Gehegen) zu Gesicht bekommt bis hin zu Störchen, die quasi allgegenwärtig sind, ist für alle Tierliebhaber etwas dabei. Vogelkundige können sowohl die seltenen, vom Aussterben bedrohten Vogelarten wie beispielsweise den Seeadler beobachten, als auch die wirklich omnipräsenten Storchvorkommen bestaunen. Jedes Dorf hat mindestens eins, meistens mehrere Storchnester, auf den weitläufigen Wiesen suchen Störche nach Fressbarem und staksen so über die sumpfigen Weiden. Zudem ist diese Region ein Paradies für Amphibien, selbst seltene Frosch- und Krötenarten, sind entdeckbar. Sobald es in die Wälder geht, kann man Rehwild, Rotwild und auch Elchen in freier Wildbahn begegnen. Alle drei Tierarten konnten wir auch auf unseren Wanderungen beobachten. Lediglich vom Schwarzwild sahen wir nur Spuren, die Wildschweine blieben uns also verborgen.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, immer Insektenspray dabei zu haben. Durch die wasserreiche Landschaft hat man ganz natürlich bereits eine hohe Mückendichte. Und wenn man nicht komplett zerstochen sein möchte, dann ist man gut beraten, wenn man entsprechende Vorbereitungen tätigt. Am nervigsten waren aber die Biester, die wir nicht weiter identifizieren konnten. Sie befanden sich allerdings im Wald. Sie schwirrten ständig um den Kopf herum und nervten doch erheblich – nicht nur uns, sondern auch die Hunde.
Was man als Wanderer mit Hund
wissen sollte, ist, dass es im Ermland und Masuren (ob in ganz Polen fehlen uns
aktuell noch die Erfahrungen) üblich ist, dass die Hunde auf den teilweise
einsamen Höfen freigehalten werden. Nicht selten stehen dabei die Hofzufahrten
offen. Wir sind quasi auf jeder Wanderung mehrfach Hunden begegnet, die
kläffend "ihren" Hof verteidigt haben. Gemäß dem Sprichwort "Wer bellt, der
beißt nicht" blieben aber alle Hunde ausnahmslos defensiv. Sie hatten nur im
Sinn, dass niemand auf den Hof ungefragt kommt. Sie haben uns immer passieren
lassen, ohne uns zu nahe zu kommen. Teilweise "begrüßten" uns die Hunde bereits
auf der Straße, zogen sich aber distanzwahrend auf ihren Hof zurück und
überschritten danach nicht wieder die Hofgrenze. Sämtliche Rüden, denen wir
begegneten, waren kastriert. Wer selbst unkastrierte Rüden besitzt, weiß wovon
ich spreche, wenn ich sage, dass es etwas ausmacht, ob die eigenen
unkastrierten Rüden Kastraten begegnen oder ihnen ebenfalls unkastrierte Rüden
gegenüberstehen.
Die Region um die großen Seen, die sich Ermland und Masuren tauft, eignet sich nicht vorrangig zum Wandern. Man kann zwar die teilweise recht schöne Kulturlandschaft und die Wälder durchstreifen sowie die Seen umrunden, richtig ausgewiesene Wanderwege oder gar verschlungene Pfade und Steige gibt es allerdings (fast) gar nicht. Es sind vielerorts stattdessen Wald- und Wiesenpfade oder sandige Feldwege, über die die Routen führen. Nicht selten quert man nicht nur eine Asphaltstraße, sondern folgt dieser auch für ein gewisses Maß. Was des einen Leid, das ist des anderen Freud. So eignen sich der Großteil aller genannten Wege auch ideal zum Fahrradfahren. Dies lässt sich hier vortrefflich umsetzen. An höchster Stelle steht in dieser Region aber – wen wunderts bei der hohen Seendichte – der Wassersport. Er ist unangefochten die Top-Aktivität in Ermland und Masuren und kann in mannigfaltiger Weise ausgelebt werden. So gibt es an vielen Orten Kajak- und Kanuverleih. Man kann aber auch Jetskis oder Motorboote stunden- oder tagesweise mieten. Es gibt zahlreiche Paddelroute, die berühmteste und wohl auch schönste Polens ist dabei die Krutynia-Route, die die großen Seen miteinander verbindet.
Wir beginnen unsere Reise dort, wo angeblich auch das ehemalige Ostpreußen und heutige Ermland und Masuren beginnen soll: an den Kernsdorfer Höhen (1). Anschließend zieht es uns direkt in die Hauptstadt Ermland und Masurens, nämlich Olsztyn (2). Anschließend erreichen wir die erste große Seenlandschaft. Die südlichen großen masurischen Seen rund um Sorkwity und Mikolajki (3). Daraufhin fahren wir weiter Richtung Osten nach Olecko und befinden uns im südlichen Bereich des buckligen Masuren (4). Mit der Suwałky-Seenplatte, der gleichnamigen Kreisstadt und dem Wigry-Nationalpark (5) haben wir dann den nordöstlichen Rand Polens erreicht. Eigentlich ist dies bereits schon die Wojwodschaft Podlachien, dennoch haben wir es noch in unsere Rundreise implementiert. Von nun an geht es schnurstracks westwärts. Wir fahren durch die Rominter Heide und den Borkener Forst im buckligen Masuren (6) und erreichen wieder die großen masurischen Seen, jetzt nur an ihrem Nordrand (7). Anschließend passieren wir auf unserem Weg Richtung Ostseeküste das nördliche Ermland (8) und haben das erste Mal Meer in Sicht bei Frombork am Frischen Haff (9). Die Danziger Bucht entlang, erstreckt sich eine schmale Landzug in die Ostsee hinein, die Frische Nehrung (10), die wir besuchen, bevor wir dann Danzig erreichen, welches Bestandteil von drei zusammengefassten Städten ist, der sogenannten Trojmiasto (11). An der Weichsel bzw. der Weichselniederung (12) geht es dann wieder zurück.
Pro hier beschriebener Station können ein bis zwei Tage eingeplant werden, wobei je nach Interessenlage natürlich der Aufenthalt entsprechend verkürzt oder verlängert werden kann. Wir führten diese Reise gemäß den Ziffern in der Landkarte als Rundreise durch. Man kann sie – gewissermaßen im Zickzack – aber auch als Einwegroute befahren. Eine gute Reisezeit stellt für uns dabei der Juli dar. Nicht nur, weil das Wetter in der Regel sehr schön ist und somit Badeurlaub – ob an den Süßwasserseen oder dem Salzwassermeer – garantiert werden kann, sondern auch, weil im Juli einige schöne kulturelle Veranstaltungen stattfinden, dessen Besuch absolut lohnenswert ist (so z.B. Gedenktag 20. Juli 1944, Juliwochenende in Marienburg, Schlachtgedenktag in Grunwald, Suwalki-Festival im Juli etc.).
Wie immer möchte ich betonen, dass es sich hierbei um ein Reisetagebuch handelt. Als solches erfüllt es nicht die Funktion eines Reiseführers. Wir erheben hier weder einen Anspruch auf Vollständigkeit, noch sind unsere Ausführungen objektiv. Sie sind subjektiv und wir bewerten einzelne Aspekte gemäß unserem Geschmack und unserer Vorlieben. Diese mögen nicht mit jedem Leser/ jeder Leserin übereinstimmen. Das gilt es beim Lesen zu berücksichtigen und stets im Hinterkopf zu behalten.